Ist „Sapiosexualität" nur ein Deckmantel für Klassizismus?
Vielleicht hast du es beim Swipen deiner Lieblings-Dating-App gesehen, vielleicht hast du es sogar in deinem eigenen Profil stehen: Sapiosexuell. Der Begriff ist in den letzten Jahren populärer geworden und beschreibt eine Person des *erlesenen* Geschmacks, die „gute Konversationen" und „Intelligenz" mehr als oberflächliche Dinge wie das Aussehen oder die Karriere schätzt. Aber genau darum geht es: Sich selbst als sapiosexuell zu bezeichnen, macht dich unnötigerweise zum Angeber und zweckentfremdet die tatsächliche sexuelle Orientierung durch das Vorgeben einer Orientierungsterminologie.
Du aber sagst, du bevorzugst wirklich intelligente Menschen. Wie aber können wir Intelligenz messen? Ist derjenige intelligent, der dieselben Kenntnisse hat wie du? Jemand, der einen Abschluss (oder mehrere) an renommierten Universitäten gemacht hat? Diese Person, die dir gefällt, hat vielleicht nicht den Roman „Infinite Jest“ (dt. Unendlicher Spaß) gelesen (der übrigens nicht so gut ist) oder kennt nicht die Feinheiten der größten Kämpfe des Zweiten Weltkriegs, was aber nicht bedeutet, dass du nicht von ihr angezogen werden kannst. Um einen Blick auf einige der wichtigsten Hinweise der Welt zu werfen: Ein Hochschulabschluss ist nicht das, was es vorgibt zu sein (der Mann, der das iPhone erfunden hat, beendete nicht einmal ein Collegejahr, geschweige denn vier).
Die Behauptung, sich mehr für das Gehirn als für Schönheit zu interessieren, macht dich auch nicht nobler - es macht dich zum Gatekeeper. Die meisten Leute würden andere Dinge auflisten, um auf der Datingskala höher zu stehen. Persönliche Interessen, Humor, Freundlichkeit oder Sportlichkeit sind fast immer wichtiger als „Schönheit", wenn Leute ehrlich sind, so dass dein Insistieren, dass du nur intelligente Leute datest, dich wie ein verurteilender Idiot aussehen lässt.
Es ist egal, dass das Erfinden einer falschen sexuellen Orientierung bereits bestehende Orientierungen abwertet. Homosexuelle kämpfen weiter damit, in der Gesellschaft akzeptiert zu werden, dass ihre Sexualität wahr und berechtigt und keine Wahl ist. Wenn du einen Begriff erfindest, der deine Vorzüge erklärt, erklärst du die schwule Identität für ungültig. Wenn du eine Terminologie erfinden kannst, warum sollte dann eine asexuelle Person ernst genommen werden?
Wenn du einen Begriff erfindest, um damit sehr reale sexuelle Vorlieben zu kombinieren, klingt es so, als seist du unterdrückt – und das bist du nicht. Niemand wird dich dafür verprügeln oder dich davon abhalten, Blut zu spenden, zu adoptieren oder dir das Heiratsrecht verbieten, also lass diese sexuelle Fake-Orientierung zu Hause, okay?
Am Ende des Tages bezeichnet man sich selbst als sapiosexuell und sagt mehr darüber, wer du bist als die Leute, von denen du denkst, dass du dich von ihnen angezogen fühlst. Dein Glaube, dass deine Intelligenz so furchtbar wichtig ist und dein Ego Romanzen haben muss, die zu deinem Verständnis der Welt passen, grenzt dich buchstäblich von Millionen von Menschen ab, die unterschiedliche Erfahrungen haben. Alles nur, weil ihre Intelligenz nicht deinem „Level" entspricht.
Du kannst richtig gut in deinem Job sein oder 200 Bücher pro Jahr lesen. Aber anstatt sich so einen Schwachsinn wie „sexueller Orientierung" auszudenken, könntest du vielleicht dein Gehirn einschalten und sagen, was dich tatsächlich an einem potenziellen Partner interessiert, indem du die Dinge aufzählst, die dich interessieren.
Autor: Kat Armstrong, Playboy US