Der Reiz der offenen Beziehung und warum meine scheiterte
Zu sagen, dass ich blind darauf einging, wäre eine Untertreibung. Bei meiner jetzigen Ex-Freundin - nennen wir sie Primary - und mir ist auf jeder Ebene, und besonders auf der physischen, der Funke übergesprungen. Unser Sex war leidenschaftlich, verrückt und oft. Wir fummelten in der Öffentlichkeit herum, und wenn wir alleine waren, erforschten wir die dunkelsten Fantasien des anderen (eine Runde übers Knie legen gefällig?). Aber nach einem Jahr begannen meine Augen zu wandern.
Ich war 29 Jahre alt, als wir uns trafen; Vor Primary hatte ich nur mit zwei anderen Frauen geschlafen, wobei ich mit der einen ein Jahrzehnt lang zu-sammengelebt hatte. Ich wollte - nein, ich musste - mit anderen schlafen, bevor ich mich wieder auf etwas Festes einlassen konnte. Also machte ich mit Primary Schluss.
Aber der Sex war überwältigend und wir waren unsterblich verliebt. Und ob-wohl wir uns darauf einigten, auch mit anderen Menschen auszugehen, lan-deten wir immer wieder im Bett. Ohne wirklich darüber zu reden, waren wir plötzlich wieder zusammen - aber die Tür war nur angelehnt. Ja, wir waren in einer offenen Beziehung. Laut Forschern am Kinsey-Institut hat jeder fünfte Amerikaner schon einmal eine offene Beziehung geführt, die auch als einvernehmliche Nicht-Monogamie bekannt ist. Die Googlesuche nach dem Begriff offene Beziehung hat seit Januar 2006 stetig zugenommen. Im Fern-sehen wurden sie in Serien wie „Portlandia“, „Gotham“ und Audience Net-work´s „You Me Her“ gezeigt. Warum also der Aufwärtstrend des Interesses und der Akzeptanz? War ich etwa in den effektiven Kompromiss zwischen meinem biologischen Verlangen nach mehreren Partnern und der üblichen Geschichte ewiger Monogamie, die oft zur Untreue führt, gestolpert? Mit an-deren Worten, können offene Beziehungen funktionieren?
Im Jahr 2016 veröffentlichte die New York Times ein Exposé über offene Be-ziehungen mit Oscar-Preisträgerin Monique, die offen über ihre Nicht-Monogamie mit Ehemann Sidney Hicks spricht. Darin behauptet Dr. Helen Fisher, eine ehrenvolle Anthropologin, dass offene Beziehungen „niemals langfristig funktionieren". Der Artikel wurde viral, zum Teil wegen Fishers Offenheit, aber Forschungen, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, wi-dersprechen Fishers Ausführungen. Zum Beispiel fand eine Längsschnittstu-die von 82 Paaren, die im Journal of Sex Research veröffentlicht wurde, her-aus, dass offene Ehen statistisch nicht eher enden als geschlossene Ehen nach fünf Jahren.
Am Ende sind die Chancen, dass eine offene Beziehung Erfolg hat, die glei-chen wie die Chancen jeder anderen Beziehung - egal ob schwul oder hete-rosexuell, mono- oder polygam, langfristig oder auf Distanz. Ihr Erfolg hängt nach Ansicht der Sexualpädagogen von vielen Faktoren ab, ein-schließlich einer Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen wie Bedürftigkeit, per-sönlichen Ansichten über gelegentlichen Sex und dem Grad der positiven Einstellung zum Sex. Und wie Debra W. Soh, Sexual-Neurowissenschaftlerin, 2016 für den Playboy schrieb: „Um herauszufinden, was funktioniert, muss man einiges ausprobieren. Man muss Grenzen und Regeln verhandeln (und neu verhandeln), um Erfolg zu haben."
Überraschung, ich habe vor Beginn meiner Beziehung mit Primary keine die-ser Forschungen gelesen. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass Letzteres absolut wahr ist. Regeln sind unerlässlich, um sich gegen die unvermeidli-chen Gefühle von Angst, Groll, Eifersucht und Unsicherheit zu wehren, die mit Nicht-Monogamie einhergehen. Das Aushandeln unserer Grenzen war ein emotionales Minenspiel. Von meinem ersten Date mit einer anderen Frau zu hören, verunsicherte Primary. Haargummis, Kondomverpackungen, Sext auf meinem Handy - all das löste bösartige Streits aus. Also war eine unse-rer ersten Regeln: Nicht fragen, nichts sagen. Eines Abends im Bett begann Primary jedoch, nach Einzelheiten hinsichtlich eines meiner Daten zu fragen. „Wie sah sie aus? Hast du sie geleckt?“ Ich hielt meinen Mund - leg mich rein -, aber sie blieb hartnäckig. Also habe ich nachgegeben. „Sie hatte Kurven. Ja, ich habe ihre Muschi geleckt.“ Primary griff nach meiner Hand und schob sie in ihr Höschen. Sie war komplett feucht. Viele sind sich einig, dass Nicht-Monogamie die Intimität in einer offenen Beziehung fördern kann, aber manchmal ist sie nur von kurzer Dauer. Als ich zum Beispiel beschloss, Pri-mary über ein bevorstehendes Datum ungefragt zu informieren, stritten wir wie Meth-Köpfe in Black Mirror Fan Fiction. Danach haben wir die Regel in „Nur reden, wenn gefragt wird" geändert.
Aber auch mit klaren Regeln kann es schwierig sein, offene Beziehungen zu führen, weil sie die Biologie gegen den menschlichen sozialen Zustand stel-len. In einer anthropologischen Untersuchung der menschlichen Sexualität argumentieren Christopher Ryan und Cecilia Jethá, dass die Nicht-Monogamie in der DNA verankert ist, die wir von unseren nächsten Prima-ten-Vorfahren geerbt haben. Versuche nicht, das mit den jahrhundertealten kulturellen Sitten der Ehe und der ewigen Monogamie in Einklang zu brin-gen. Nichts kann deine offene Beziehung zu 100 Prozent vor diesem sehr realen Kampf schützen.
Nehmen wir zum Beispiel den Zeitpunkt, als ich im Berufsverkehr mit Prima-ry von Los Angeles nach San Francisco fuhr. Ein Text von einer anderen Frau tauchte auf meinem Telefon auf, und Primary las es. Unsere Cro-Magnon-Gehirne gingen in den Kampf. Wir haben Dinge gesagt, die man nicht zu-rücknehmen kann - Dinge, die uns in die Paartherapie gebracht haben. Die Therapie half uns, ein paar Trümmer zu sortieren, aber dieser Kampf be-schädigte uns auf eine Weise, von der wir uns nie wieder erholten.
Dennoch war dieser Kampf nicht der Grund, warum unsere offene Beziehung letztendlich fehlschlug. Es lag auch nicht an unserem Mangel an Regeln oder an einigen Unterschieden in unseren Ansichten über gelegentlichen Sex. Der Grund war einfacher. Ein paar Monate nach unserem Experiment schob Pri-mary eine Nachricht mit ihren Schlüsseln zu meiner Wohnung unter meine Tür durch. Sie hatte genug von unserer „absurden Vereinbarung" und sie wollte mich aus ihrem Leben lassen. Aber ich war immer noch in sie verliebt und nicht bereit monogam zu sein, also tat ich etwas Schreckliches. Ich brachte sie in die offene Beziehung zurück.
Mach das niemals.
In fast jedem Artikel über Polyamorie steht, dass es nicht für jeden geeignet ist. Mach keinen Fehler, denn wenn du deinen Partner in eine offene Bezie-hung reinargumentieren musst, ist es nichts für sie oder ihn. Tatsache war, dass Primary von Anfang an nie eine offene Beziehung wollte. Sie stimmte zu, weil es das war, was ich wollte, und sie in mich verliebt war. Es muss viel passieren, damit Nicht-Monogamie Erfolg hat, aber vor allem muss es auf Gegenseitigkeit beruhen. Wenn dies nicht so ist, beruht jedes Argument auf dem Subtext „Ich wollte das nie" und eure Beziehung ist dazu verdammt, noch lange nach ihrem Ende in Unmut zu brennen und zu schwelen.
Kurz nachdem ich sie zurück in die Nicht-Monogamie gestoßen hatte, stellte sich Primary quer. Diesmal verkaufte ich meine Möbel, zog mit ihr zusam-men und verpflichtete mich zu einer exklusiven Beziehung. Die Dinge trüb-ten sich schnell; Zwei Monate später hat sie mit mir Schluss gemacht. Ein paar Wochen später schlief sie mit dem Freund, der mir half auszuziehen - ein Typ, den ich mein halbes Leben lang kannte. Als ich sie zur Rede stellte, steckte sie eine ausführliche Hassmail, in der stand, womit ich sie während unserer Beziehung verärgert hatte, in meine Lagereinheit. Um fair zu sein, gab ich ihr viele Gründe, um sich zu ärgern. Aber der Dreh- und Angelpunkt auf der Liste? „Offene Beziehung."
Autor: Charlie Charbonneau, Playboy US