Pro: Alter, weißer Mann
An dem jahrzehntealten KAMPFBEGRIFF GEGEN DISKRIMINIERUNG gibt es nichts auszusetzen – oder? Doch, manchmal. Wenn er unsauber benutzt wird.
Sollten Sie nicht regelmäßig in den kreativen Zirkeln geschlechterfluider Berliner Halb-Künstler verkehren, lassen Sie mich Ihnen kurz den Begriff erläutern: „Alter weißer Mann“ meint Menschen fortgeschrittenen Alters und weißer Hautfarbe, die überall in unserer Gesellschaft privilegiert, sich dessen aber nicht überall und ständig bewusst sind – und so rassistische, sexistische und sonstwieistische Vorurteile am Leben halten. Kurz zusammengefasst: Es ist natürlich ein Zerrbild, und die Rede vom alten weißen Mann müffelt etwas nach sich selbst umkreisender Intellektuellen-Sauce. Dennoch ist es nötig, der servierten Wahrheit ins Auge zu schauen.
Werte liberale Playboy-Leser, Sie haben die mentale Kraft dazu: Mancher von Ihnen ist selbst ein alter weißer Mann oder wird – genauso wie ich – mal einer werden. Als alte weiße Männer werden wir pauschal angegriffen, und das ist gut so. Denn wer hockt in den Vorständen der großen Konzerne? Vor allem alte weiße Männer. Wer bestimmt über die Fußballvereine? Alte weiße Männer. Wer zieht die Strippen im Musikbusiness? Alte weiße Männer. Und wer verdient bei gleicher Arbeit immer noch sehr viel weniger als der Rest? Auf jeden Fall nicht alte weiße Männer.
Lassen Sie mich einschieben: Natürlich sind alte weiße Männer großartig. Unsere Dichter und Denker – viele davon sind alte weiße Männer. Die sich aber weder um Hausarbeit sorgen noch vor dem Nachhauseweg fürchten mussten. Der „alte weiße Mann“ ist ein abwertender Kampfbegriff, den wir uns vielleicht nicht als Individuum, aber als herrschende Kaste verdient haben. Ist es nicht besser, mit bösen Worten als mit Mistgabeln vom hohen Ross geholt zu werden?
Autor: Philipp Nowotny