Unser Entertainer des Jahres 2017
Paul Henning, der Vintage−Sitcom−Produzent, sagt dir wahrscheinlich nichts, obwohl er einmal fast so bedeutend wie Mark Burnett war. Wie du sicherlich weißt, ist Burnett der TV−Produzent, der Survivor produzierte und Donald J. Trump in einen Reality−TV−Star und −Präsidenten verwandelte, was zu jenem Zeitpunkt niemand tatsächlich vermutet hätte. Auch wenn Hillary Clinton noch nicht einmal The Apprentice gesehen hat, war sie aber sicherlich damals in den 1960er Jahren auch kein Fan von Hennings The Beverly Hillbillies oder Green Acres.
Während alle 2017 hinter sich lassen, können die Henning−Fans der damaligen Zeit seinen Geist im Himmel lachen hören. Vor einem halben Jahrhundert verstand sogar die junge Boomgeneration, die seine CBS−Farcen liebte, dass sie stumpfsinnig waren. Aber Hennings langlebige Sitcoms spielten innovativ die Reibung zwischen zwei sich gegenseitig nicht verstehenden, genervten Amerikas aus, die nichts außer der Nachbarschaft gemeinsam hatten. Heutzutage wirken sie wie ziemlich verrückte Dokumentarfilme.
Die von den Kritikern verachteten und vom goßen Publikum geliebten Beverly Hillbillies waren ein Clan von Hinterwäldlern, die auf das reiche und entsetzlich noble Beverly Hills treffen und dort in ihre eigene protzige Villa ziehen. Green Acres, die auf jeden Fall die verrücktere der bei−den war, kehrte diese Formel um: Hier zieht ein vor−nehmes Paar aus Manhattan in ein verschla−fenes Nest voller komischer Eier. Die erste Sitcom ist so, wie mindestens die Hälfte des Landes die feindliche Übernahme der 1600 Pennsylvania Avenue durch die Familie Trump sieht; die zweite spiegelt wider, wie sich Donald und Melania selbst sehen. Auf einer Ebene ist Trumps surreale (oder Surreality−TV−) Präsidentschaft Burnetts ultimatives Geschenk an die Nachwelt. Aber sie ist auch die beste und rücksichtsloseste satirische Sitcom, bei der die Kulturen aufeinanderprallen, die Hennings Geist jemals hervorgebracht hat. Das liegt zum Teil daran, dass der Spott, als Schlüsselelement seiner Formel, immer in beide Richtungen ging. Die von Henning entwickelten Bauerntrampel wurden dann ausgelacht, wenn ihre Ignoranz im Fokus war, ebenso wie ihre kosmopolitischen Gegenspieler, die oft wie alberne Waschlappen dargestellt und oft vom wahren" niederträchtigen und sturen Amerika wegen ihrer hochnäsigen Art über den Tisch gezogen wurden.
Das spiegelt ungefähr die Perspektive von Trumps Hauptanhängern in Bezug auf ihre Beziehung zur linken, multikulturellen Elite wider, die sie dafür verachten, dass sie kläglich sind. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sie die Grobheit ihres Helden nicht unangemessen finden. Von seinem egozentrischen Gezanke über seine Tweetstorms bis zu seinem offensichtlichen verachtenden Benehmen als Präsident auf seinen Auslandsreisen sieht es eher nach Rache aus.
Weltmännische Demokraten sind immer noch verwirrt, dass Trumps Persönlichkeit, über die zivilisierte Menschen wie ich selbst einfach nur entsetzt sind, die Hauptattraktion ist. Sie werden niemals den Ehrgeiz seiner hässlichen Berufung verstehen. Damals, als die Countrymusik noch offensichtlich regionale und armselige Werte ausdrückte und nicht nur eine miese Antwort der weißen Amerikaner auf Hip−Hop war, wurden die Fans nie durch den scheinbaren Widerspruch abgeschreckt, dass die größten Stars dieses Genres prahlerisch irgendwelche schrillen Kostümen trugen und ultraprotzige Autos fuhren, in extravaganten Villen wohnten und dafür berühmt waren, ein völlig ungeordnetes Leben zu führen. Auf indirekte Weise sahen sie: Genau so würde ich leben, wenn ich reich und berühmt wäre." Trumps wahre Gläubige haben bei seinem Prahlen und dem Mobbing auf geopolitischer Ebene die gleichen Fantasie: So würde ich mich auch verhalten, wenn ich Präsident der Vereinigten Staaten wäre."
Bis jetzt war es die Aufgabe der Performer und nicht der Präsidenten, eine Fantasie der Bürger zu verkörpern, die sich aus Amerikas Identität heraus ergibt. Doch die Zeiten haben sich offensichtlich geändert. Nach jedem erdenklichen konventionellen Standard ist Trump ein schrecklicher Politiker, besonders wenn es um die Verhandlung von Deals geht, eine der Fähigkeiten übrigens, die er als seine Spezialität anpries. Das ist allerdings egal, denn die Loyalität seiner Basis macht aus Trump die weiße, nationalistische, orangenmähnige und 71−jährige Antwort auf Jim Morrison. Kein Wunder, dass er seine Zeit im Weißen Haus damit verbracht hat, sich ausschließlich mit MAGA−lands Feindseligkeiten und bullyhaftem Größenwahn Befriedigung zu verschaffen, ohne auch nur vorzugeben, dass er die Pflicht hätte, die Bedürfnisse der tatsächlichen Mehrheit Amerikas zu berücksichtigen. Der Versuch, seinen Wahlkreis zu erweitern, wäre ebenso sinnlos wie der Versuch der Eagles of Death Metal, Kelly Clarksons Marktanteil für sich zu gewinnen.
Inzwischen ist die Frage, ob Trump zu einer einem Präsidenten würdigeren Einstellung übergehen wird, überflüssiger als als Matt Lauers Karriere. Trotzdem bemerken die Mitarbeiter, die immer noch davon träumen, zumindest seinen Twitter−Feed zu säubern, nicht, dass sich ihr Chef darüber die ganze Zeit bewusst ist. Seine Marke an die Umstände anzupassen würde sein Kernpublikum entfremden.
Sein Fehlverhalten und seine Anmaßung gegenüber dem Anstand fesselt alle, und dabei immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, ist nicht nur sein existenzielles Bedürfnis. Für seine Fans ist es ein erfreulicher Beweis, dass er den Job macht, für den sie ihn gewählt haben: Krawalle zu starten, hochnäsige Minderheiten und Ausländer anzugreifen und dies den Snobs in die Schuhe zu schieben. All das sagt viel über unsere derzeitige Situation aus, denn es bedeutet, dass die Verteidigung demokratischer Normen heutzutage als Snobismus gilt.
Egal, wie sehr sein Magnetismus die Menschen verwirrt, die denken, dass er ein niederträchtiger und größenwahnsinniger Idiot ist, muss man doch anerkennen, dass Trump sich immer wie ein charismatischer Popstar mit blitzender Bühne − dem Oval Office − aufführt und dies nicht zuletzt auch die Hingabe seiner Fans erklärt. Sie interessiert der RussiaGate−Skandal oder die in der Verfassung verankerte Vergütungsklausel genauso wenig, wie sich die Fans von Michael Jackson für seine Strafen und Skandale interessieren. Pop−Idole unterliegen eben nicht den gleichen Regeln wie andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Besonders, wenn sie so provokant wie Trump sind, ist es nicht ihre Aufgabe, Grenzen zu respektieren oder gut durchdachte Problemlösungen zu formulieren. Ihre Aufgabe besteht darin, zügellose Gefühle zum Ausdruck zu bringen, verbotene Einstellungen auszuleben und Hysterien zu bestätigen, die die individuellen und privaten Gefühle ihres Publikums in öffentlich ausgelebte Gefühle umwandeln.
Solange er dies liefert, ist die Treue von MAGAland garantiert. Dies ist natürlich nur durch die Schmach der Hasser entstanden, was in Manhattan oder Los Angeles ziemlich schick klingt, beweist aber, dass er etwas richtig macht, wenn du zufällig ein Kansas−Lifer bist. Seine Fans werden ihn nur im Stich lassen, wenn er sie langweilt, was sicherlich nicht so bald passieren wird. Denn obwohl sie jahrzehntelang die gleichen Songs spielen, kommt das Publikum immer noch in Scharen, um die Rolling Stones zu sehen, die komischerweise Trumps Zeitgenossen sind.
Die Rechten sind nicht die Einzigen, die von seiner Rolle begeistert sind, obwohl sich die Fans von Rachel Maddow (ganz zu schweigen von Maddow) das nicht eingestehen wollen. Auch hier im Land der Linken können wir diesem Phänomen begegnen: Wir sind süchtig nach Trump. Er monopolisiert in unseren Gehirnen nicht nur den Bereich für Politik, sondern frisst sich weiter durch in die privilegierten Bereiche, die wir normalerweise für Unterhaltungen über all das, was uns interessiert, von Sport über Promi−Klatsch bis zu den neuesten artsy Humdinger auf Netflix, reservieren. Ob wir nun wie wahnsinnig über POTUS 'neueste rhetorische Grausamkeit oder die neueste Wendung in Robert Muellers Russland−Untersuchungen quatschen, das Sensationslust ist unbestritten. Vielleicht sehnen wir uns danach, dass er aus dem Amt vertrieben wird − und je eher, desto besser −, aber was immer nach ihm kommt, wird sicherlich weniger brisant sein.
Aus diesem Grund bezeichnete Playboy Trump als den Entertainer des Jahres. Welche Wahl haben wir wirklich? Im Vergleich zu ihm ist Taylor Swift eine Amateurin, und Kanye, ihr Erzfeind, ein Mann mit einem lähmenden niedrigen Selbstwertgefühl. Harvey Weinstein, Kevin Spacey und der arme alte zitternde Charlie Rose können Trump in seiner monströsen Art nicht übertreffen. Das gesamte Marvelverse ist ihm nicht gewachsen, wenn es um apokalyptische Szenarien geht. Wenn es eine einzige Konstante gibt, die seine ansonsten inkohärente Weltanschauung strukturiert, ist es seine Überzeugung, dass jeder im Showbiz ist. Und das bedeutet wirklich alle, von James Comey und Colin Kaepernick bis hin zu den Godl−Star−Eltern Khizr und Ghazala Khan. Die Vorstellung, dass jeder, der sich mit seinen intoleranten Ansichten streitet, von einem echten Prinzip motiviert sein könnte − oder im Fall von Khans von echter Empörung und Trauer getrieben − ist sinnloser Unfug, den Trumps Gehirn nicht verarbeiten kann.
Stattdessen glaubt er, dass das alles nur Getue und genauso wie sein eigenes schlichtweg unaufrichtig ist. Erinnern wir uns daran, dass Trump einmal selbst bestätigt hat, dass "Build the Wall" (der Bau der Mauer") in erster Linie deswegen das Hauptversprechen seiner Kampagne wurde, weil er sich immer darauf verlassen konnte, dass die Massen bei seinen Kundgebungen dann immer ausflippen würden und er entsprechend diese Strategie immer dann einsetzte, wenn er spürte, dass ihre Aufmerksamkeit abflaute. Selbst jetzt sind seine unwirschen und abschweifenden Monologe bei den kampagnenartigen Events viel sinnvoller, wenn man berücksichtigt, dass es sich dabei nur um zufällige oder versehentliche politische Diskurse handelt. Im Grunde genommen sind sie die Ideen eines abgrundtief humorlosen Mannes und dabei eine brillante Stand−up−Comedy.
Für Trump sind seine Kritiker und politischen Gegner einfach rivalisierende Promis − oder schlimmer noch, Möchtegern−Promis −, die um einen Platz im Rampenlicht kämpfen. Egal, ob er völlig unverhohlen Theresa May verprellt oder, noch gefährlicher, den kleinen Raketenmann" Kim Jong Un verspottet: Er sieht seine Geschäfte mit ausländischen Führungspersönlichkeiten einfach als Feindschaft unter Prominenten, bei denen er eben die Nase vorn haben muss. Die einzige Ausnahme ist Wladimir Putin, der für Trump anscheinend eher der witzige und elegante Frank Sinatra als der aufgeblähte Elvis ist.
Wenn er die Präsidentschaft als eine gigantische, wütende Scharade betrachtet, dann deshalb, weil das sein natürliches Element ist. Er kennt wirklich keine andere Welt und sich über die Welt zu informieren, in der der Rest von uns lebt, ist ihm und seinem Temperament ein Gräuel. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen unseren widerlichen Chef−Entertainer ernst nehmen, weil wir Dinge wie den Zugang zu Atomwaffen, die Anstiftung zu Gewalt gegen Muslime und die Verfassung, die auf dem direkten Weg zum Schredder ist, kritisieren. Aber seine geschäftstüchtige, nihilistische Familie und ihre Satrapen im Weißen Haus tun viel, um uns hilflos die ganze Sache als einen erstaunlichen kranken Witz betrachten zu lassen.
Vom aalglatten Jared und der unheimlich roboterhaften Ivanka über Kellyanne Conway bis hin zu Sarah Huckabee Sanders ist das Spektakel dieses Rudels zwielichtiger Kobolde, das die heiligste Adresse der Nation ohne Verständnis für die Traditionen, die es repräsentiert, durchwandert, ein sensationelles Kunstwerk. Es gibt keine perfektere Nebenrolle in der Sitcom aller Sitcoms. Weil er ein Talent für Grobheit hat, kann sich Trump als einen Mann geben, der gut mit Menschen kann, aber die Kinder? Nicht wirklich. Sie wirken eher wie außerirdische Lebensformen, die nie gelernt haben, ein einziges erkennbares menschliches Gefühl nachzuahmen, einschließlich des Patriotismus. Haben die Fanatiker aus den Hochburgen wirklich die Obamas als exotisch unamerikanisch betrachtet? Verglichen mit den Trumps sind sie ein Gemälde von Norman Rockwell.
Um mit Trump selbst zu beginnen, haben wir noch nie etwas Vergleichbares gesehen, und mit etwas Glück werden wir es auch nie wieder. Aber sie werden niemals langweilig, und deshalb können wir uns nicht abgewöhnen, dieses ganze sternbedeckte Abrissderby anzuglotzen, als wären wir nur Zuschauer anstatt die Bürger, die wir eigentlich sind. Wenn Trump sein Amt vorzeitig niederlegt, könnten diejenigen von uns, die die Abscheu vor ihm geradezu genießen, mit der wunderbar bissigen Bemerkung enden, die ein Watergate−ära−Demokraten von sich gab, nachdem der ähnlich verachtete Richard Nixon schließlich zurücktrat: Jetzt weiß ich, wie sich all diese Kinder fühlten, als sich die Beatles trennten. "
Autor: Tom Carson